Kerbensteig früher - 1945 bis 2015


1945 kam das Aus für den Kerbensteig durch die Schließung der Grenze zur benachbarten Tschechoslowakei. Grenzübertritte waren verboten, die Schönlinder Brücke und die beiden Brücken des Kerbensteiges über die Kirnitzsch wurden abgerissen, auch der Aufenthalt in Grenznähe war am Anfang verboten. 1949 wurde die DDR gegründet, und zumindest kurz danach müssen einige Grenzsoldaten mit Werkzeugen bewaffnet am Kerbensteig und in der Kirnitzsch rumgekrochen sein, um einige Grenzmarkierungen mit dem DDR-Logo zu versehen. Dasselbe gilt sinngemäß für die Grenzmarkierungen auf der tschechischen Seite des Kerbensteiges.

Die Grenzmarkierung DDR 26/11 einige Meter unterhalb der ehemaligen Schönlinder Brücke an der rechten Felswand.

Die Grenzmarkierung  26/16 CS an einer Felswand auf der tschechischen Seite des Kerbensteiges.



Viel ist aus der DDR-Zeit nicht vom Kerbensteig bekannt. Die Grenzbestimmungen wurden später etwas gelockert, dafür wurde 1961 das Naturschutzgebiet Kirnitzschklamm mit einem Totalreservat entlang der Kirnitzsch festgelegt. Auch dort war Wandern nur auf markierten Wegen erlaubt ähnlich wie heute. Allerdings waren mehr Wege markiert als heute, z.B. das heute gesperrte Jansloch und der Weg durch die Rotkehle. Insider waren wahrscheinlich die einzigen, die auf dem deutschen Teil des Kerbensteiges ab und zu unterwegs waren (siehe Sächsische-Schweiz-Initiative, Heft 25, Seite 21). Wann die beiden Felsbrücken und die Wegmauer kaputt gingen, ist nicht bekannt, aber die Qualität des Kerbensteiges wurde durch die fehlende Instandhaltung allmählich schlechter und der Pflanzenbewuchs immer größer.


Auszug aus dem Heimat- und Wanderbuch Elbsandsteingebirge, 1956, Seite 310, mit einer Wanderung von der Oberen Schleuse in Richtung Wolfsschlucht.

Die Formulierung über den Kerbensteig ließ damals noch hoffen, daß der Kerbensteig eines Tages wieder mal begangen werden darf.


Ausschnitt aus einer DDR - Wanderkarte Sächsische Schweiz, 1:40.000, ca. 1965. Hier ist bereits das Naturschutzgebiet Kirnitzschklamm eingezeichnet, der Kerbensteig nicht mehr. Das heute gesperrte Jansloch ist hier aber noch als markierter Wanderweg vorhanden.


Auszug aus dem Brockhaus - Wanderheft Sächsische Schweiz, 1973, Seite 49.

Auch hier noch diesselbe Formulierung über den Kerbensteig wie im Heimat- und Wanderbuch Elbsandsteingebirge von 1956.

(Foto zur Verfügung gestellt von Thomas Haynk)

Auszug aus dem Tourist Wanderatlas Sächsische Schweiz, 1978, Seite 55.

Hier immer noch diesselbe Formulierung über den Kerbensteig wie im Heimat- und Wanderbuch Elbsandsteingebirge von 1956.

Wahrscheinlich hat man damals gewisse Sätze für die nächste Auflage eines Wanderführers immer wieder nur abgeschrieben.

Ab ungefähr 1979 ist diese Form der Erwähnung des Kerbensteiges in der Wanderliteratur aber nicht mehr zu finden.


Am 01.10.1990 wurde der Nationalpark Sächsische Schweiz gegründet und am 03.10.1990 wurde die DDR ein Teil der BRD. Für den Kerbensteig änderte sich damit aber nichts. Alle Teile des Kerbensteiges liegen heute (Stand 2015, 2020) in der Kernzone des Nationalparkes Sächsische Schweiz bzw. in der Zone 1 des Nationalparkes Böhmische Schweiz, der im Jahre 2000 gegründet wurde. In beiden Zonen ist das Wandern und der Grenzübertritt aus Naturschutzgründen nur auf markierten Wegen gestattet. Da der Kerbensteig nicht markiert ist, und er zudem zweimal die Grenze überquert, ist sein Betreten also weiterhin verboten. Ein Aufsuchen des Kerbensteiges gilt als Ordnungswidrigkeit und kann deshalb mit Geldstrafe belegt werden.

Rückblickend auf die Zeit nach 1945 kann man also feststellen: ab 1961 mit der Schaffung des Naturschutzgebietes Kirnitzschklamm und seinem Totalreservat sanken die Chancen immer mehr, den Kerbensteig wieder öffentlich zugänglich zu machen. Daran hat sich leider auch bis heute nichts geändert.


Auszug aus dem Tourist Wanderatlas Sächsische Schweiz, 1989, Seite 45, mit einer Erklärung des Zweckes des 1961 gegründeten Naturschutzgebietes Kirnitzschklamm.

Schon ab 1961 war das erklärte Ziel also die Entwicklung eines Urwaldes im Kirnitzschtal, rechts und links des Wanderweges im Kirnitzschtal,  einschließlich des Gebietes des Kerbensteiges, genauso wie es die Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz heute auch anstrebt. Die heutige Kernzone umfaßt eine noch etwas größere Fläche als das damalige Naturschutzgebiet mit Totalreservat. Laut Aussage der Nationalparkverwaltung soll es mehrere Hundert Jahre dauern, bis die Entwicklung zum Urwald abgeschlossen ist.



DDR-Verhaltensordnung für die Sächsische Schweiz von 1983, Auszüge enthalten z.B. im Tourist Wanderatlas Sächsische Schweiz, 1989, Seite 54 u. 55.

Auffallend sind die Ähnlichkeiten bei vielen Punkten zwischen dieser Verhaltensordnung und der heute gültigen Nationalpark-Verordnung von 2003 (zu finden z.B. unter http://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/service/downloads/).

Interessant auch unter III. der Punkt 5.


Vergleich der Umgebung des Kerbensteiges mit Wanderweg-Grenzübergängen von vor 1945 und 2015:

Quelle: mapy.cz, © Seznam.cz, a.s., 2015

Grenze zwischen Sachsen und Böhmen im Bereich der Kernzone bzw. Zone 1 beider Nationalparks mit Wanderweg-Grenzübergängen:

Blau = heute erlaubt, Rot = bis 1945 erlaubt, heute verboten.

Bis 1945 gab es in diesem Bereich auf 19 Km Grenzlänge mindestens 25 mögliche Grenzübergänge im Verlauf von Wanderwegen, heute gibt es noch 3 !

Diese 3 sind auch gleichzeitig Brücken über die Kirnitzsch, bis 1945 gab es auf den 8 Km, auf denen die Kirnitzsch die Grenze bildet, 13 Brücken!



Die Zukunft des Kerbensteiges


Der Kerbensteig ist ein wichtiges Kulturdenkmal und Zeugnis der vor 200 Jahren begonnenen Erschließung des Hinterhermsdorfer Gebietes in der Sächsischen Schweiz, man sollte ihn eigentlich nicht einfach so verfallen lassen. Hierzu ein Auszug aus dem Sächsischen Denkmalschutzgesetz:

"Denkmalschutz und Denkmalpflege haben die Aufgabe, die Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen, insbesondere deren Zustand zu überwachen, auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung von Kulturdenkmalen hinzuwirken und diese zu erfassen und wissenschaftlich zu erforschen." (§ 1 Abs. 1)

"Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind vom Menschen geschaffene Sachen, Sachgesamtheiten, Teile und Spuren von Sachen einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder landschaftsgestalterischen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt." (§ 2 Abs. 1)

In der Nationalpark-Verordnung für die Sächsische Schweiz heißt es u.a.:

"Ferner bezweckt der Nationalpark, ... landeskundlich besonders wertvolle Flächen und Denkmale wie Felsenburgen, Floßanlagen, Grenz- und Gedenksteine exemplarisch in ihrer typischen Ausprägung zu erhalten" (§ 3 Abs. 3).

"Den historisch gewachsenen Nutzungen und Interessen der Wanderer, Bergsteiger und des Tourismus
ist ... angemessen Rechnung zu tragen" (§ 4 Abs. 2).

Leider zählt der Kerbensteig nicht als Kulturdenkmal im Sinne der oben angeführten Gesetze und kann aufgrund der zur Zeit geltenden Naturschutzgesetze weder geschützt noch erhalten werden. So wie es jetzt (2020) aussieht, gibt es keine Hoffnung mehr, daß der Kerbensteig je wieder in seinem ursprünglichen Charakter offiziell begangen werden darf. Er wird weiter verfallen und von der Natur zurückgeholt werden.

Diese Seite soll also wenigstens der wissenschaftlichen Erfassung und Erforschung und als Erinnerung an einen der ältesten und bekanntesten Wanderwege der Sächsisch-Böhmischen Schweiz dienen.


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