Warum sind Wege gesperrt?


Warum sind bestimmte Wege, die früher teils bekannte Wanderwege waren, heute gesperrt? Aus "Naturschutzgründen", sagt die Nationalparkverwaltung. Eine genaue Begründung, ob z.B. eine bestimmte Pflanze oder ein Tier durch das Begehen eines bestimmten Weges gefährdet wäre, gibt es aber nicht. Das Wort "Naturschutzgründe" wird immer einfach so pauschal öffentlich als Grund genannt.


Zum Werdegang der Wegesperrungen:

Der Nationalpark Sächsische Schweiz wurde am 01.10.1990 gegründet, noch zu DDR-Zeiten, 2 Tage vor der deutschen Einheit. Die letzte DDR-Regierung wollte dieses Projekt des Nationalparkes noch schnell verwirklichen, denn man befürchtete (nicht ganz zu Unrecht) in Zukunft durch die politische Wiedervereinigung mit der BRD und die Einführung der Marktwirtschaft eine Vermarktung der Sächsischen Schweiz mit Hotelneubauten, Seilbahnen, Skipisten, Klettersteigen, neuartigen Wegeerschließungen usw., ähnlich wie es in den Alpen schon vorgekommen ist mit negativen Auswirkungen auf die Natur. Durch den Status Nationalpark sollte die Landschaft in dem Zustand erhalten und geschützt werden, in dem sie sich befand.

 

Wichtig:

Nach Gründung des Nationalparkes 1990 durften alle Wanderwege weiterhin ganz normal begangen werden. In der ersten Nationalparkverordnung von 1990 hieß es: "ausgewiesene Wege und touristisch erschlossene Stiegen und Plätze" dürfen betreten werden (§6 Abs.11). Unter den Begriff "touristisch erschlossen" fielen eigentlich alle Wege, größere und auch kleinere Wege, denn jeder dieser Wege hatte irgendwie mit Wandern und Tourismus zu tun. Dazu gehörten besonders auch die Wege, die heute verboten sind, wie Auerhahnsteig, Schwarzschlüchte, Raingrund und Grenzweg. Alle diese Wege wurden schon seit spätestens 1870 in bekannten Wanderführern erwähnt und einige zählten damals sogar zu den Hauptwanderrouten und waren dementsprechend erschlossen. Einige der Wege dienten sogar schon seit dem Mittelalter, seit dem 15. Jahrhundert als vielbegangene Handelswege, wie der Große Zschand und der Stimmersdorfer Weg (siehe Wegname, der Weg war eine wichtige Verbindung von Hinterhermsdorf nach Stimmersdorf/Mezna). Dieses Begehungsrecht aller Wege im Nationalpark war auch voll in Übereinstimmung mit den IUCN-Richtlinien für Schutzgebiete der Kategorie II (Nationalparke), nach denen Naturschutz und Erholung zwei völlig gleichberechtigte Ziele sind und nebeneinander existieren sollten!

 

Zusätzlich war 1991 auch geplant, den Grenzübergang hinten im Großen Zschand in Richtung Rainwiese wieder für Wanderer zu eröffnen. Dies wurde am 28.04.1991 vom damaligen Ministerpräsidenten Sachsens Kurt Biedenkopf bei einem Treffen mit dem tschechischen Umweltminister Ivan Dejmal direkt an der Grenze im Großen Zschand versprochen. Die bisher seit 1945 trennende Grenze sollte wieder "zu einer verbindenden Brücke werden", und "schon bald soll ein offizieller Grenzübergang für Fußgänger eröffnet werden". Aus Sicht des Naturschutzes gab es keinerlei Bedenken oder Probleme bei diesem breiten, schon früher als Fahrweg genutzten 500 Jahre alten Weg. Diese ganzen Versprechen haben sich bis heute nicht erfüllt, im Gegenteil, man ist heute weiter davon entfernt als je zuvor. Seit 1945 gibt es in diesem Bereich kein freies grenzüberschreitendes Wandern mehr. Zu DDR-Zeiten durfte man wenigstens noch bis an die Grenze rangehen, heute ist 700 Meter davor Schluß.

 

Bis zum Jahr 2000 spielte es in der sogenannten Kernzone auch keine Rolle, ob ein Weg mit einer Farbmarkierung, einem Wegweiser, oder einem Namensschild markiert war oder nicht. Alle Wege, auch die kleineren unmarkierten Wege durften begangen werden, Hauptsache war, daß man auf dem Weg blieb (sogenanntes Wegegebot), und nicht abseits vom Weg durch die Wildnis lief. Alle diese Wege waren auch noch bis zum Jahr 2000 in verschiedenen Karten, z.B. im Kompaktkletterführer, enthalten.

Im Jahr 2001 wurde dann durch die Nationalparkverwaltung eine sogenannte Wegekonzeption veröffentlicht, wodurch es plötzlich zu großen Einschränkungen kam. Als "touristisch erschlossene Stiegen und Plätze" galten in der Kernzone ab sofort nur noch "alle im Gelände gekennzeichneten Wanderwege, Bergpfade und Kletterzugänge". Damit waren also alle unmarkierten und nicht gekennzeichneten Wege automatisch gesperrt und verboten (d.h. alle Wege, die keinen Wegweiser, keine Farbmarkierung usw. hatten). Dadurch waren z.B. im Bereich Großer Zschand plötzlich bis zu 80% der Wege verboten. Eine genaue Begründung aus Sicht des Naturschutzes für diese Maßnahme erfolgte nicht. Es hieß ganz einfach, eine größere Ruhigstellung des Gebietes solle erfolgen. Von solchen Maßnahmen war bei Gründung des Nationalparkes überhaupt keine Rede gewesen. Als der Nationalpark 1990 gegründet wurde, mit seiner Natur, seiner Felslandschaft und mit allen Wegen, die begangen werden durften, erfüllte er alle Anforderungen, die an einen Nationalpark gestellt werden, sonst hätte er ja nicht ausgerufen werden dürfen. Die Sperrung vieler Wege war also aus Sicht des Naturschutzes weder erforderlich noch notwendig und damit unrechtmäßig. Eine Ruhigstellung mancher Gebiete, besonders der Kernzone, erfolgte nach 1990 schon allein dadurch, daß es in diesen Teilen des Nationalparkes keine forstliche Bewirtschaftung mehr gab, keine Bäume wurden mehr gefällt, Wege wurden nicht mehr durch Forstfahrzeuge befahren, es gab keine Jagd mehr, usw. Außerdem waren nach 1990 sowieso weniger Besucher unterwegs als vorher, da viele die neugewonnene Freiheit erstmal nutzten, in weltweite Gebiete zu reisen.

Gesperrte Wege seit 2001 Gebiet Großer Zschand

Rot - Gesperrte Wege

Lila - Kletterzustiegspfade, die an Klettergipfeln vorbeiführen (sollen nach dem Willen der Nationalparkverwaltung auch nicht von Wanderen begangen werden, was falsch ist, gemäß Nationalparkverordnung darf jeder solche Pfade benutzen, § 6 Abs. 16, 17).

Grün - Erlaubte Wege, in der Kernzone markiert

(Karte: mapy.cz, © Seznam.cz, a.s., 2020)

Viele Wander- und Bergsteigerverbände waren mit der Sperrung nicht einverstanden. Es gab Proteste, und sogar Protestwanderungen (z.B. auf dem Entenpfützenweg). Die Nationalparkverwaltung behauptet heute, die Sperrungen wären mit den Wander- und Bergsteigerverbände "intensiv abgestimmt" worden. Aber die meisten Wanderer hatten von den Plänen der Sperrung entweder nichts gewußt, oder keine Gelegenheit gehabt, ihre Meinung abzugeben, oder waren, als sie davon erfuhren, niemals mit einer Sperrung einverstanden. Eine öffentliche Diskussion vor der Sperrung fand nicht statt. Und viele Wanderer, die etwas weiter außerhalb der Sächsischen Schweiz wohnten, wußten überhaupt nichts von den Planungen der Nationalparkverwaltung und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt (z.B. Wanderer aus dem Raum Bautzen, Görlitz, Zittau, Chemnitz, Leipzig usw, die ebenfalls häufig die Sächsische Schweiz aufsuchen). Und deswegen gehen auch viele Naturfreunde und Kenner auf diesen Wegen weiterhin heimlich wandern, weil sie wissen, daß damit in der Natur kein Schaden angerichtet wird, denn abseits dieser Wege gibt es noch genug Wildnisbereiche. Im Nationalpark Böhmische Schweiz (gegründet im Jahr 2000) gibt es dieselben Probleme. Dort gilt ebenfalls die Regelung, daß in der Zone 1 (Kernzone) nur markierte Wege benutzt werden dürfen.


Inzwischen wurden manchmal seltsame Gründe erfunden, um die Sperrungen zu rechtfertigen oder sogar noch weitere Wege zu sperren. Man beruft sich darauf, daß die Wegedichte im Nationalpark angeblich viel zu hoch wäre. Das heißt, es gibt zu viele laufende Meter Wanderwege pro Hektar. Die Wegedichte betrug bei Ausrufung des Nationalparkes ca. 100 Meter/Hektar. Der Wert solle angeblich viel niedriger sein, teils nur noch 30 oder 20 Meter/Hektar, ein völlig illusorischer Wert für die Sächsische Schweiz. Dort hatte sich das Wegenetz über einen Zeitraum von über 600 Jahren entwickelt, und natürlich kann man dieses Gebirge mit seinen vielen Wander- und Forstwegen, die sich zudem auf mehrere Felsstockwerke verteilen, nicht mit dem Nationalpark Wattenmeer vergleichen, wo es vergleichsweise viel weniger Wege gibt. Unter den Bedingungen, von denen man jetzt bezüglich der Wegedichte im Nationalpark spricht, hätte der Nationalpark 1990 niemals ausgerufen werden dürfen.

Die Nationalparkverwaltung argmentiert heute, man solle in der Kernzone (markierte) Wege nicht verlassen, da das Gebiet rechts und links der Wege Natur ist und den Tieren gehört, die Tiere sich an Menschen auf Wegen gewöhnt haben und davon ausgehen, daß diese darauf bleiben und dadurch keine Angst mehr vor Menschen haben (völlig richtig). Aber warum hat man dann die anderen Wege gesperrt? Die Tiere hatten sich doch dort (teils seit Jahrhunderten) ebenfalls an die Menschen gewöhnt, eine Sperrung war also unnötig. Wenn ein Tier, z.B. das Auerhuhn, ausgestorben ist, dann nicht wegen der Wanderer auf den Wegen, sondern weil es gejagt wurde oder wegen Nahrungsmangel aufgrund von Umweltgiften. Interessant ist auch, daß in den 1970er Jahren sich der sehr seltene Schwarzstorch neu angesiedelt hatte, und das, obwohl auf allen Wegen gewandert werden durfte, im Großen Zschand viel mehr los war als heute und überall gebooft wurde!

Im Bereich dieser gesperrten Wege gibt es auch keine seltene Tiere oder Pflanzen, die besonders geschützt werden müßten (siehe z.B. den steilen Hang, über den der Kerbensteig verläuft oder der Grat des Thorwalder Gratweges). Auf der Internetseite des Nationalparkes findet man alle Tiere und Pflanzen der Sächsischen Schweiz aufgezählt, auch die besonders schützenswerten. Keine davon sind im Bereich der gesperrten Wege zu finden. Und bis heute kann die Nationalparkverwaltung keine einzige Pflanze und kein einziges Tier namentlich benennen, welches durch die Begehung der gesperrten Wege gefährdet wäre (Ausnahme wäre natürlich ein geschützter Vogel, der im Frühjahr dort brüten würde, aber das gibts ja bei vielen anderen erlaubten Wegen auch, verbunden mit einer zeitlich befristeten Sperrung.)


Interessanterweise gibt es in Bezug auf Begegnungen zwischen Menschen und Tieren in Nationalparks sogar den Begriff "Nationalpark-Effekt". Als Nationalpark-Effekt wird die verringerte Scheu und niedrigere Fluchtdistanz von Wildtieren gegenüber dem Menschen bezeichnet, die nach Errichtung von Schutzgebieten (z. B. Nationalparks) beobachtet werden kann. Der Effekt wird auf den dauerhaften Wegfall von hochrangigen Störreizen zurückgeführt, z. B. durch Verzicht auf Bejagung, verbunden mit einem strikten Wegegebot im betreffenden Schutzgebiet, die den Wildtieren eine Gewöhnung an häufig auftretende, aber harmlose Reize ermöglicht, z. B. an das wiederholte Erscheinen von Wanderern auf einem Wanderpfad. Die regelmäßige Anwesenheit von erholungssuchenden Besuchern dieser für den Naturschutz ausgewiesenen Refugien der Tier- und Pflanzenwelt führt dabei zum Verlust der Scheu durch Gewöhnung. Ein Wegfall des vom Menschen ausgehenden Bedrohungspotentials kann zu einer Erhöhung der Vertrautheit zwischen Mensch und Tier führen. Der Begriff "Nationalpark-Effekt" zeigt also, daß es in einem Nationalpark üblich ist, daß Wege durch die Wildnis führen. Auch  ist dies zusammen mit Naturschutz ein Hauptziel gemäß den IUCN-Richtlinien für Nationalparke. Großflächige Wegesperrungen vorhandener Wege und das Herausschützen des Menschen aus diesen Gebieten ist in diesen internationalen Richtlinien nicht vorgesehen!

Zitat aus den IUCN-Richtlinien, S.24: "Erholung gründet sich in diesen Gebieten zu allererst und vor allen Dingen auf Begegnung mit und Erleben von unberührter Natur." Unberührte Natur findet man aber nicht an der Basteibrücke mit täglich tausenden Touristen oder auf dem Lilienstein, sondern in den abgelegenen Gebieten im Großen Zschand oder in Hinterhermsdorf, genau dort, wo die meisten Wege gesperrt wurden. Die Sperrungen  widersprechen also dem Sinn und Zweck eines Nationalparkes!

Die genannten Fakten und Beispiele zeigen, daß es für die Sperrung vieler Wanderwege im Nationalpark Sächsische Schweiz keinerlei Gründe gab, auch keine Naturschutzgründe. Es soll hier niemand aufgefordert werden, einen verbotenen Weg zu gehen. Wer es trotzdem macht, braucht aber kein schlechtes Gewissen gegenüber der Natur zu haben, vorausgesetzt natürlich, er verhält sich dabei naturschonend, was aber für einen echten Naturfreund selbstverständlich ist. Wenn man allerdings durch die Nationalparkverwaltung auf einem solchen Weg erwischt wird, muß man mit einem Bußgeld rechnen, und daß man pauschal ohne Beweise als "massiver Störenfried der Natur" bezeichnet wird.

Die Christelschluchtnadel (ganz hinten im Großen Zschand, nahe der tschechischen Grenze) ist ein erlaubter Klettergipfel. Aus "Naturschutzgründen" darf dieser Gipfel nur über den erlaubten Kletterzustiegspfad aufgesucht werden (Grün; Länge 2,5 Km). Der logischere, kürzere und naturverträglichere Weg über den meterbreiten ehemaligen Fahrweg Großer Zschand und den breiten Zeichengrund ist aus "Naturschutzgründen" verboten (Rot; Länge 950 Meter)

(Karte: Google Earth)

Ausschnitt aus dem Wanderführer Theodor Schäfer, Sächsische Schweiz, 1899, S. 199:

Wanderung vom Zeughaus durch den Großen Zschand nach Rainwiese: Von ehemals 21 Wegen, die unterwegs von rechts und links einmündeten, dürfen seit 2001 nur noch 6 begangen werden, 2 davon sind Kletterzustiegspfade. 15 Wege sind also seit 2001 gesperrt. Dazu kommt noch das letzte Stück Großer Zschand, das ebenfalls gesperrt ist, also insgesamt 16 Wege gesperrt von früher insgesamt 22 möglichen Wegen.

Rot - Gesperrte Wege

Grün - Erlaubte Wege, in der Kernzone markiert

Lila - Kletterzustiegspfade, die zu Klettergipfeln führen (Die Löfflerschlüchte sind seit 2020 durch umgestürzte Bäume nicht mehr begehbar)

 



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